Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes : Erzählungen

Setz, Clemens J., 2011
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Medienart Buch
ISBN 978-3-518-42221-2
Verfasser Setz, Clemens J. Wikipedia
Systematik DR/10 - Erzählungen
Verlag Suhrkamp
Ort Frankfurt a. M.
Jahr 2011
Umfang 349 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Aufl.
Sprache deutsch
Verfasserangabe Clemens J. Setz
Annotation Der Grazer Clemens J. Setz, Träger des Preises der Leipziger Buchmesse 2011, besticht mit seinen Erzählungen von Tod, Verlangen und Einsamkeit. A star is born! Und seit der Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse 2011 ist es offiziell: Am deutschen Dichterhimmel ist einer neuer Leitstern aufgegangen. Gemeint ist Clemens J. Setz, die neue Hoffnung der "deutschen Gegenwartsliteratur", wie in fast allen führenden Feuilletons zu lesen war. Zumindest in den deutschen. Dass der 28-jährige Grazer bis zur Leipziger Preisverleihung "nahezu unbekannt" ("taz") gewesen sei (obwohl doch "Die Frequenzen" zuvor für den Deutschen Buchpreis nominiert war), macht die Sensation der Entdeckung des Junggenies nur noch ruhmreicher für die deutsche Jury. Die Literaturchefin der "Zeit" jedenfalls kennt sich aus: "Seine ersten beiden Romane sind im Grazer Residenz Verlag erschienen", klärt sie ihre interessierten Leser auf. Läge ja druchaus nahe für einen Grazer. Und wer weiß: Nach Stationen in Salzburg, Wien und Niederösterreich siedelt sich der ehemalige Staatsverlag vielleicht demnächst in der Steiermark an. Doch beenden wir lieber diese Blütenlese aus dem Blätterwald auch wenn die Versuchung groß ist, noch andere entblößende Weisheiten aus den Feuilletons zu zitieren. Werfen wir stattdessen, einen soweit möglich vorurteilsfreien Blick auf "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes", indem wir das Vorwissen um die ersten exzellenten Romane von Setz ignorieren. Manche seiner Erzählungen sind zwar klar erkennbar in der steirischen Landeshauptstadt angesiedelt, da Grazer Straßennamen genannt werden oder vom Stadtpark die Rede ist. Apropos Stadtpark: Mit der "Grazer" Literatur hat Setz wenig, eigentlich gar nichts zu tun. Sein klares Vorbild ist die amerikanische Literatur, insbesondere David Foster Wallace, dem er in seiner Geschichte "Kleine braune Tiere" huldigt, die von einem Nerd erzählt, dessen Computerspiel eine wahre Lawine kulturwissenschaftlicher Bücher, Kongresse und biografischer Spekulationen nach sich zieht, mit denen Setz den akademischen Betrieb wohltuend lächerlich macht. Überhaupt: In seinen Erzählungen ist es Setz mehr um den Inhalt als um die Form zu tun. "Grazer" Literatur ist das also nicht. Eigentlich auch keine österreichische, denn seine Texte sind auf ordentliches Schriftdeutsch getrimmt: Keine Stiege, kein Kasten, keine Tuchent oder andere Austriazismen lassen deutsche Leser stolpern, nur einmal ist eine Semmel durchgerutscht. Kein Wunder insofern, dass die Deutschen Setz für einen der Ihren halten und sich lieber jenen "Irritationen" aussetzen, die seine Prosa laut Begründung der Jury bei der Lektüre auslöst. Anzudeuten, dass es in dem Buch um sexuelle Perversionen, eingesperrte bzw. tote Frauen und Bilder existentieller Einsamkeit geht, lockt jedenfalls die Leser an. Die Geschichten von Setz sind solides literarisches Handwerk und verstehen sich als Gegenwartsliteratur im besten Sinne, indem sie davon erzählen, wie sich Teenager anhand gewalttätiger Pornos unterhalten oder Arbeitskollegen eine neuen Mitarbeiter erniedrigen, d.h. sie spiegeln unsere Gesellschaft trefflich wider. Selbst gelegentliche Ausflüge ins Surreale, etwa, wenn einer Frau rosa Flügelchen wachsen, die sie abschneidet und wegspült, oder wenn ein Schriftsteller in seiner Wohnung eine Leiche findet und sie als Tischunterlage benutzt, ändert nichts an den bestechend wirklichkeitsverpflichteten Landvermessungen zwischen SM-Sex und SMS-Kommunikation. Erzählungsbände sind meist eine undankbare Sache, da sie formulieren wir es so zwangsweise Gelungenes und weniger Gelungenes bündeln, sodass man, einer Einsicht des Künstlers Martin Kippenberger folgend, nur hoffen kann, ein paar schlechte Texte würden die restlichen Geschichten umso besser erscheinen lassen. Was die knapp 20 Erzählungen von Setz betrifft, wünschte man sich allerdings eine deutlichere Gewichtung der gelungenen Geschichten. Allzu offensichtlich sind es teilweise Neben- und Abfallprodukte, die sich in der Schublade angesammelt haben. Gekürzt um 100 Seiten wäre "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes" ein besseres Buch geworden. Auch sind Erzählungsbände immer literarische Kürläufe, in denen der Autor die Vielschichtigkeit seiner Schreibweisen unter Beweis stellen will, kann oder soll. Dankenswerter Weise verzichtet Setz darauf, zwanghaft überraschen zu wollen. Sein Stilmix ergibt sich eher aus der Sache und ist wie im Märchen-Pastiche "Das Gespräch der Eltern", den Erzählgegenständen angemessen. Herausragend die am Ende stehende Titelgeschichte, doch auch Prosastücke wie "Milchglas", "Die Blitzableiterin" oder "Das Riesenrad" überzeugen. Überall versteckt in den anderen Texten sind Momente trauriger Intensität in der Begegnung mit Tod, Verlangen und Einsamkeit. Erneut zeigt sich das literarische Potential, das Setz bereits in seinen ersten beiden Romanen demonstriert hat, und angesichts dessen wir davon absehen sollten, dass der Name des US-Musiker Daniel Johnson gleich dreimal falsch geschrieben wird, es streng genommen keine "University of London" gibt und sich ein paar kleine Kunstfehler in den Band eingeschlichen haben, der aller Voraussicht nach nur eine Zwischenstation ist auf dem Weg zum nächsten, wirklich großen Roman. (Uwe Schütte, "Wiener Zeitung") Eines Tages ist es da. Steht am Ende einer Sackgasse mitten in der Stadt. Es ist ein großes Kind. Den Blick hält es demütig zu Boden gesenkt, seine Haut ist rissig. Tagsüber versammeln sich die Bewohner der Stadt um dieses Kind, veranstalten Kundgebungen und Konzerte. Nachts schlagen sie auf es ein, mit Fäusten, Stöcken und Ketten auf die Skulptur aus weichem, niemals trocknendem Lehm, auf das Mahlstädter Kind. Der Künstler hat es ihnen zur Vollendung überlassen, hat ihnen die Aufgabe übertragen, es »in die allgemein als vollkommen empfundene Form eines Kindes zu bringen«. Zuerst treibt die Kunstbegeisterung die Bewohner der Stadt, dann kommen sie als Pilger ihrer Wut, verlieren prügelnd die Kontrolle über sich und beinahe auch ihren Verstand. (Verlagstext)Ein preisgekröntes Buch voller Abgründe und Perversionen. (DR) Der literarische Aufsteiger aus Graz hat mit diesen achtzehn Erzählungen den Leipziger Buchpreis für Belletristik gewonnen. Die Juroren dürften wohl vom Inhalt des Buches ebenso überrascht gewesen sein wie der ahnungslose Leser, der beim Betrachten des Covers mit einem nachdenklich auf dem Bett sitzenden Mädchen und einem Bären im Hintergrund noch nicht ahnen kann, welche Abgründe sich auf den folgenden 350 Seiten auftun. In der Titelgeschichte etwa beteiligen sich die Menschen an einem seltsamen Spiel, indem sie die dauerfeucht gehaltene Lehmskulptur eines Kindes mit Hilfe von Stangen, Rohren und Ketten in eine "vollkommene Form" bringen. In der Erzählung "Das Riesenrad" wohnt die einsame Monika im Waggon 21 zur Miete, sieht fern und wartet auf einen Techniker. Wie sie die Zeit bis zum Eintreffen des Mannes noch verbringt, sei an dieser Stelle nicht verraten. In "Das Herzstück der Sammlung" setzt der Autor auf Selbstironie statt auf abstoßende Sexszenen. Er porträtiert sich darin selbst als Greis in einem Gitterbett, mit der Füllfeder in der Hand auf das Lebensende wartend. Die von Setz geschilderten Milieus und die darin auftretenden Vorkommnisse sind alles andere als leicht verdaulich. Eklige Details werden seitenweise ausgebreitet, perverse Handlungen von scheinbar normalen Menschen sind an der Tagesordnung. Trotz der vielen Abartigkeiten, die beim Lesen Irritation hervorrufen, schlägt in jeder der Geschichten der hohe Bildungsgrad des Aut 636 ors, der virtuose Umgang mit der Sprache und ein gewisses Gespür für unerwartete Plots durch. *bn* Johannes Preßl
Bemerkung Katalogisat importiert von: Wiener Städtische Büchereien Katalogisat abgeglichen mit: onlineRezensionen (ÖBW)

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